Imagine This – Bilder Warschau
Imagine This
2016

Künstlerischer Gesamtleiter und Regisseurin besuchen originale Spielstätte des diesjährigen Bühnenprojekts – Eine bewegende Reise in die Vergangenheit
Was gibt es außerhalb der gängigen Literatur über den Holocaust und die Menschen der Zeit zu erfahren? Wie können wir uns die Gegebenheiten im Warschauer Ghetto vorstellen? Hat ein Konzentrationslager auch heute noch eine bedrohliche Wirkung?
Mit diesen Fragen reisten Ingo Budweg und Canan Toksoy (künstlerischer Gesamtleiter und Regisseurin des FME) im April 2016 nach Warschau, um die originalen Spielstätten des diesjährigen Bühnenprojekts „Imagine This“ zu besichtigen. Darüber hinaus diente die Reise dazu, sich intensiv mit der Materie des Stücks auseinanderzusetzen, die Thematik in ihrer gesamten Komplexität zu begreifen und die historischen Hintergründe zu recherchieren. „Eine ebenso wichtige wie herausfordernde Aufgabe, die es uns ermöglichen soll, das diesjähriges Stück besonders authentisch zu inszenieren“, erklärt Ingo Budweg, der sich schon sehr lange mit dieser immer wieder bewegenden Thematik beschäftigt und weiß, dass Realerfahrungen nicht gleichzusetzen sind mit Gelesenem oder Bildern in Büchern und Filmen.
Das Duo besuchte das heute noch verbliebene Warschauer Ghetto und das Polin Museum (Museum der Geschichte der polnischen Juden) in Warschau, sowie das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau.
„In Warschau standen wir zunächst vor dem eindrucksvollen Denkmal, das an die Helden des Warschauer Ghettos erinnern soll und an dem auch der berühmte Kniefall von Willy Brandt stattfand. Der Anblick ließ uns eine Zeit lang demütig innehalten“, erinnert sich Canan Toksoy. „Den Verlauf der damaligen Ghetto-Mauer kann man heute noch gut anhand von Markierungen auf der Straße nachvollziehen; manche Mauerteile von 1942 stehen sogar noch. Auch zahlreiche Gebäude der Prozna Straße (ehemalige Straße durch das Warschauer Ghetto, Anm. d. Red.) sind noch im Original erhalten. Einige Häuser sind restauriert und modernisiert worden und werden mittlerweile wieder bewohnt. Manche Häuser aber – gerade in den Hinterhöfen – befinden sich noch immer in demselben Zustand wie zur damaligen Ghettozeit. Die Gebäude sind baufällig, geradezu verwahrlost, die Fenster zerstört, und teilweise erkennt man tatsächlich noch Einschusslöcher in den Hauswänden“, so Toksoy weiter. „Wir können nur erahnen, welche Nöte und Ängste die Menschen dort durchgestanden haben.“
„Besonders eindrucksvoll war auch unser Besuch im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau“, schildert Ingo Budweg bewegt. „Der Tag war grau und verregnet, wirkte düster und schaffte eine über die Maßen bedrückende Atmosphäre. Der Gang durch die Anlagen und über das Gelände war beklemmend, fast ein wenig unheimlich, und erschien uns geradezu surreal“, so Budweg. Dennoch haben beide das Lager als einen sehr lebensbejahenden Ort empfunden, an dem die Menschen bis zu ihrem letzten Atemzug gekämpft und gehofft haben.
Die bewegenden Eindrücke und die emotionalen Erfahrungen aus Warschau werden Ingo Budweg und Canan Toksoy nun in ihre Inszenierung einfließen lassen, um sie an das Ensemble und später auch an das Publikum weiterzutransportieren. Ein besonderes Anliegen des diesjährigen Projekts besteht jedoch auch darin, an die schrecklichen, unmenschlichen Taten jener Zeit zu erinnern, der vielen, unschuldig zu Tode gekommenen Menschen zu gedenken, und zu mahnen, dass diese Taten nie wieder geschehen dürfen.